Zur Herstellungs- bzw Lieferklausel (HLK) sowie zur Erfüllungs- und Erfüllungsersatzklausel in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung

Ein mehrgeschossiger Bau mit Metallgerüst und drei Kränen. Rechtsanwalt Dr. Werner Mecenovic

Primäre Risikoumschreibung

Die Allgemeine Haftpflichtversicherung ist die Versicherung des Vermögens eines Versicherungsnehmers gegen Schadenersatzverpflichtungen, die ihm wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen. Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer die Erfüllung berechtigter Schadenersatzverpflichtungen oder die Abwehr unberechtigter Schadenersatzverpflichtungen (Art 1 AHVB 2005).

Risikoausschlüsse

Nicht versichert sind etwa Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel (Art 7.1.1. AHVB); Ansprüche, soweit sie aufgrund eines Vertrages oder einer besonderen Zusage über den Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehen (Art 7.1.2. AHVB); die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung (Art 7.1.3 AHVB). Art 7.1.3 AHVB ist die sogenannte Erfüllungs- und Erfüllungsersatzklausel.

Die Versicherung erstreckt sich weiters nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung liegenden Ursache entstehen (Art 7.9 AHVB). Art 7.9 AHVB ist die sogenannte Herstellungs- bzw Lieferklausel (HLK).

6. Schadenkonferenz Velden

Mit der HLK habe ich mich in meiner im Jahre 1999 veröffentlichten und vergriffenen Dissertation “Die Herstellungs- bzw Lieferklausel in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung” beschäftigt. Der OGH (RIS) hat sich mir in einigen Entscheidungen grundlegend angeschlossen. Auf Einladung der SW Schaden Consult habe ich mich dankenswerterweise im Rahmen der 6. Schadenkonferenz in Velden am 15.9.2023 in einem Vortrag wiederholt mit der Frage beschäftigen dürfen, ob es noch immer an der Zeit ist, Abschied von der HLK zu nehmen.

Komponenten der HLK

Die HLK beinhaltet vier Komponenten. Ein Versicherungsnehmer stellt aufgrund eines Vertrages Sachen oder Arbeiten her und liefert diese an seinen Vertragspartner oder bedient sich dazu Dritter (Leistungskomponente). An dieser Leistung entsteht ein Sachschaden (Sachschadenkomponente). Die Leistung trägt einen Mangel an oder in sich, der bei ihrer Herstellung oder Lieferung entstanden ist und die Leistung zerstört oder beschädigt (Mangelkomponente). Jemand nimmt den Versicherungsnehmer wegen eines solchen Sachschadens auf Schadenersatz in Anspruch (Haftpflichtkomponente).

Der OGH sagt: Die HLK kommt nur dann zur Anwendung, wenn sich das Ursachenereignis (der Mangel) und das Folgeereignis (der Schaden) in bzw an ein und derselben Sache abspielen.

Die HLK ist etwa dann nicht anwendbar, wenn nur ein Mangel gegeben ist und die “bloß” mangelhafte Leistung durch den Mangel nicht zusätzlich beschädigt wird. Die HLK ist auch dann nicht anwendbar, wenn andere Sachen als die mangelhafte Leistung beschädigt werden.

Vermögensfolgeschäden sind nur so weit ausgeschlossen, als sie unmittelbare und nicht bloß mittelbare Folgen einer mangelhaften Leistung sind.

Der Anwendungsbereich der HLK ist insgesamt sehr eng. Es gibt keine Entscheidung, in der der OGH die Anwendbarkeit der HLK bejaht. Vielleicht betrachtet sie die Versicherungswirtschaft gerade deshalb als ein Art “Geheimwaffe”.

Erfüllungsersatzklausel

Auch die Erfüllungsersatzklausel schließt nur Ansprüche aus, mit denen der Versicherungsnehmer das unmittelbare Interesse an der Erfüllung einer vertraglichen Leistung geltend macht, wie der OGH unter Berufung auf meine Dissertation (RIS) judiziert.

Überlagerung der HLK durch die Erfüllungsersatzklausel

Die HLK wird vollständig von der Erfüllungsersatzklausel überlagert. Dies bedeutet, dass vernünftigerweise kein Fall vorstellbar ist, in dem nur die HLK, nicht jedoch auch die Erfüllungsersatzklausel zur Anwendung kommt. Kommt die Erfüllungsersatzklausel nicht zur Anwendung, ist auch die HLK nicht anwendbar. In meiner Dissertation vertrete ich deshalb die Auffassung, dass die HLK verzichtbar ist. Sie ist keine “Geheimwaffe”, sondern bestenfalls eine “Schreckschusspistole”. An der Forderung nach dem Abschied von der HLK ist daher grundsätzlich festzuhalten, zumal der Versicherer, der sich auf die HLK beruft, sich damit nicht automatisch auch auf die Erfüllungsersatzklausel beruft.

Reform der HLK

Sollte sich die Versicherungswirtschaft aus Gründen der Nostalgie nicht zu einem vorbehaltlosen Abschied von der HLK durchringen können, empfiehlt sich allein aus Gründen der Transparenz eine Zusammenführung der HLK und der Erfüllungs- und Erfüllungsersatzklausel wie folgt:

Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Ansprüche auf die Erfüllung von Verträgen und - ungeachtet der Anspruchsgrundlage - auf die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung, insbesondere nicht auf Ansprüche wegen Mängel und Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer oder in seinem Auftrag von Dritten hergestellten und gelieferten oder gelieferten Sachen oder geleisteten Arbeiten in Folge einer in der Herstellung, Lieferung oder Arbeitsleistung liegenden Ursache entstehen.

Hilfe

Wenn Sie als Versicherer oder Versicherungsnehmer Fragen zur Anwendbarkeit der “Herstellungs- oder Lieferklausel” und/oder zur “Erfüllungs- und Erfüllungsersatzklausel” haben, können Sie mich gerne unter +43 316 848684 kontaktieren. Ich freue mich auf Ihren Anruf.

Dr Werner Mecenovic
Ihr Rechtsanwalt in Graz

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