Konkludenter Regressverzicht des Gebäudeversicherers gegenüber dem Mieter
Beschädigung des versicherten Gebäudes durch den Mieter
Zwischen der Vermieterin und der Klägerin, ein Versicherer, besteht eine Leitungswasserschadenversicherung, die keinen Regressverzicht der Klägerin zu Gunsten der Mieter der Vermieterin enthält. Auf dem österreichischen Versicherungsmarkt gibt es Versicherungsverträge, die einen Regressverzicht für leichte Fahrlässigkeit vorsehen. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Vermieterin bei Vertragsabschluss mit der Klägerin auf eine derartige Möglichkeit hingewiesen worden ist. In der Versicherungspolizze ist unter anderem festgehalten, dass die angeführten Gebäude (Büro-, Geschäfts- und Gastronomiebetrieb, Wohnungen) samt An- und Zubauten zum Neubauwert versichert gelten.
Der zwischen dem Beklagten und der Vermieterin abgeschlossene Mietvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
„[…] Der Mieter verpflichtet sich, diese Kosten sowie die sonstigen, mit der Erhaltung, der Instandhaltung, der Wartung und Verwaltung des Objektes verbundenen Kosten; Abgaben und sonstigen Aufwendungen anteilsmäßig zu tragen, insbesondere […] Feuer-, Haftpflicht-, Leitungswasser- und Sturmschaden-, Vandalismus- sowie Glasbruchversicherung, […].
Der Mieter verpflichtet sich zum Abschluss einer ausreichenden Versicherung des Mietgegenstandes im Inneren samt Inventar und wird der Vermieterin den Abschluss und Bestand desselben während der gesamten Vertragsdauer auf Aufforderung schriftlich nachweisen […].“
Der beklagte Mieter zahlte die Kosten für die Leitungswasserschadenversicherung anteilig im Rahmen der Betriebskostenabrechnung.
Im Juli 2017 beauftragte der beklagte Mieter die Erstnebenintervenientin, eine Küche für seine Wohnung zu planen, zu liefern und samt Elektrogeräten einzubauen. Zur Montage bedient sie sich Subunternehmen, und zwar hauptsächlich des Zweitnebenintervenienten. Die Erstnebenintervenientin ließ den Wasseranschluss durch den Drittnebenintervenienten für den Beklagten ohne zusätzliche Kosten herstellen.
Der Drittnebenintervenient – ein Mitarbeiter des Zweitnebenintervenienten – führte die Montage in der Wohnung des Beklagten aus. Der drucklose Untertisch-Kleinspeicher, der von der Vermieterin zur Verfügung gestellt worden war, wurde dabei vom Drittnebenintervenienten angeschlossen. An der Rückseite des Außengehäuses ist ein Aufkleber mit der Aufschrift „Achtung! Montageanleitung beachten druckloser Speicher.“ angebracht gewesen. Für die vom Beklagten und von der Erstnebenintervenientin ausgesuchte Küchenarmatur wird in der Montageanleitung ausdrücklich „Nicht als Niederdruck-Armatur für drucklose (offene) Systeme geeignet“ angegeben.
Bei der Montage stellte der Drittnebenintervenient fest, dass er die von der Erstnebenintervenientin zur Verfügung gestellte Armatur nicht an den Speicher anschließen konnte, da diese drei Schläuche, aber lediglich zwei Anschlüsse hatte. Nachdem ein sogenanntes T-Stück und ein zusätzlicher Schlauch besorgt worden war, schloss der Drittnebenintervenient die druckfeste Armatur an den drucklosen Speicher an. Ihm war zum Zeitpunkt der Montage die Problematik beim Anschluss einer druckfesten Armatur an einen drucklosen Speicher nicht bekannt. Er hat auch keine Montageanleitung gelesen.
Der Untertischspeicher ist durch Überdruck geborsten, wodurch über eine Dauer von etwa fünf bis zehn Stunden rund 3.000 l Leitungswasser in die Gebäudesubstanz austraten. Die Klägerin bezahlte die Kosten für die Sanierung des Wasserschadens.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von 336.535,45 EUR. Sie sei Leitungswasserschadenversicherer der Vermietern. Der Beklagte sei Mieter einer Wohnung. Er habe die Erstnebenintervenientin mit dem Einbau einer Küche beauftragt. An den drucklosen Speicher sei eine druckdichte Küchenarmatur angeschlossen worden. Diese Vorgehensweise sei jedenfalls grob fahrlässig gewesen. In der Folge sei der Schlauch zur Armatur geplatzt und rund 3.000 l Wasser in der Wohnung ausgetreten und in andere Wohnungen eingedrungen. Die Klägerin habe die Sanierungskosten aus dem Wasserschaden bezahlt. Der Schadenersatzanspruch der Vermieterin sei gemäß § 67 VersVG infolge Zahlung auf sie übergegangen. Die Nebenintervenienten seien dem Beklagten als Erfüllungsgehilfen zuzurechnen. Ein Regressverzicht zu Gunsten der Mieter sei nicht vereinbart worden und ein konkludenter Regressverzicht nicht anzunehmen.
Der Beklagte und die auf seiner Seite beigetretenen Nebenintervenienten beantragten die Klagsabweisung. Die Montage sei zwar fehlerhaft vorgenommen worden, den Beklagten treffe aber weder ein Verschulden am Schadenseintritt noch sei die Gefahr eines solchen für ihn vorhersehbar gewesen. Der Klägerin sei zum Vertragsabschlusszeitpunkt bekannt gewesen, dass das Wohn- und Geschäftsgebäude vermietet werde und die Mieter über die Betriebskostenabrechnung die Versicherungsprämien tragen würden. In einer solchen Situation sei der Mieter mitversichert. Der Mieter sei daher nicht Dritter im Sinn des § 67 VersVG, weshalb ein Regress scheitere. Durch die Zahlung der Versicherungsprämien würden die Interessen der Vermieterin geschützt, weshalb konkludent auch ein Regressverzicht vereinbart worden sei.
Regress gemäß § 67 VersVG gegenüber dem Mieter?
Das Erstgericht, das Berufungsgericht und der OGH (RIS) sind der Argumentation des beklagten Mieters gefolgt; die Regressklage der Versicherungsgesellschaft als Klägerin hatte keinen Erfolg.
Der OGH begründet seine Auffassung wie folgt:
Im vorliegenden Fall war die Interessenlage der Vermieterin der Klägerin bei Abschluss des Versicherungsvertrags erkennbar. In der Versicherungspolizze war ausdrücklich angeführt, dass es sich bei dem versicherten Gebäude um „Büro-, Geschäfts- und Gastronomiebetrieb, Wohnungen“ und damit um ein „Mietshaus“ handelt, wobei ein Hinweis der Klägerin auf die am Versicherungsmarkt grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Vereinbarung eines Regressverzichts zu Gunsten der Mieter der Vermieterin nicht feststeht. Ein redlicher Erklärungsempfänger durfte daher darauf vertrauen, dass die Klägerin jedenfalls auf Regressansprüche wegen leichter Fahrlässigkeit gegen jene Mieter, auf die ihre Versicherungsnehmerin ihre Prämien (typischerweise – vgl § 21 MRG) überwälzt, verzichtet.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin gegenüber dem beklagten Mieter ihrer Versicherungsnehmerin auf den Regress von leicht fahrlässig verursachten Schäden (konkludent) verzichtete.
Da die Klägerin die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Schaden leicht fahrlässig verursacht wurde, nicht in Zweifel zieht und schon deshalb das Klagebegehren abzuweisen ist, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zur Frage der Zurechnung des Verhaltens der Nebenintervenienten nach § 1313a ABGB.
Wenn Sie Fragen zum Regress des Versicherers gemäß § 67 VersVG gegenüber dem Mieter des Versicherungsnehmers haben, können Sie mich gerne unter +43 316 848684 kontaktieren. Ich freue mich auf Ihren Anruf.