Obliegenheitsverletzungen und grobe Fahrlässigkeit in der Eigenheimversicherung
Sachverhalt
Die Versicherungsnehmer verlassen am Morgen ihr Wohnhaus und vergessen die Terassentür abzusperren. Am Abend bemerken sie, dass Einbrecher ihrem Haus einen ungebetenen Besuch abgestattet haben. Die Terrassentür hat außen einen fixen Knauf und ist von innen versperrbar. Weil die Tür unversperrt ist, können die Täter die Tür „aushebeln“. Hätten die Versicherungsnehmer die Tür zum Zeitpunkt des Einbruchs versperrt, hätten die Täter wesentlich größere Gewalt aufwenden müssen, um sie aufzubrechen. Dies hätte zu massiveren Einbruchspuren geführt. Den Versicherungsnehmern ist bekannt, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft kurz zuvor ein Einbruchsdiebstahl verübt worden ist.
Relevante Bestimmungen der Versicherunbedingungen
Es besteht eine Haushaltsversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH 2013) und die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS 2001) zugrunde liegen. Die relevanten Bestimmungen lauten:
Artikel 4 ABH 2013
1. Wenn die Versicherungsräumlichkeiten auch für noch so kurze Zeit von allen Personen verlassen werden,
1.1. sind Eingangs- und Terrassentüren, Fenster und alle sonstigen Öffnungen stets ordnungsgemäß verschlossen zu halten. Dazu sind vorhandene Schlösser zu versperren. Dies gilt nicht für Fenster, Balkontüren und sonstige Öffnungen, durch die ein Täter nur unter Überwindung erschwerender Hindernisse einsteigen kann;
5. Die vorstehenden Obliegenheiten gelten als vereinbarte Sicherheitsvorschriften gemäß Artikel 3 ABS. Ihre Verletzung führt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers.
Artikel 3.2. ABS 2001
Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadenfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Schadenfalles oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat, oder wenn zur Zeit des Schadenfalles trotz Ablaufs der Frist die Kündigung nicht erfolgt war.
Entscheidung der Unterinstanzen
Das Erstgericht weisen das Klagebegehren wegen Verletzung der vereinbarten Sicherheitsvorschrift (Art 4.1.1. ABH 2013) ab. Das Berufungsgericht bestätigt diese Entscheidung.
Entscheidung des OGH
Obliegenheitsverletzung
Der OGH geht untstrittig davon aus, dass die Obliegenheit gemäß Art 4.1.1. ABH 2013 verletzt worden ist, indem eine Terassentür nicht versperrt worden ist.
Kausaltitätsgegenbeweis
Der OGH erachtet den Kausalitätsgegenbeweis der Versicherungsnehmer, nämlich dass der Einbruch auch geschehen wäre, wenn die Terrassentüre versperrt worden wäre, für nicht gelungen, weil eine wesentlich größere Gewalteinwirkung notwendig gewesen wäre, um die Türe aufzubrechen, wenn sie versperrt gewesen wäre.
Grobe Fahrlässigkeit
Grobe Fahrlässigkeit erfordere einen objektiv besonders schweren Sorgfaltsverstoß, der bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist.
Das Verlassen des Hauses über mehrere Stunden bei unversperrter Terrassentür stelle nicht in jedem Fall ein grob fahrlässiges Verhalten eines Versicherungsnehmers dar, auch wenn bekannt ist, dass in der unmittelbaren Nachbarschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Einbruchsdiebstahl verübt worden ist. Die Kläger haben im Verfahren erster Instanz behauptet, sie würden die Terassentür stets versperrt halten und hätten dies lediglich am Vorfallstag ausnahmsweise vergessen. Zu dieser Behauptung habe das Erstgericht eine Negativfeststellung getroffen, die die klagenden Versicherrungsnehmer in ihrer Berufung bekämpft haben. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei diese Feststellung von Relevanz, müsse doch nach der Rechtsprechung selbst ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen sein.
Wenn es ein Versicherungsnehmer einmalig unterlasse, eine Terrassentür nicht zu versperren, sei dies kein subjektiv schwerstens vorwerfbares Verhalten.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier (RIS)
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